Ausdauer

Früher in diesem Jahr haben wir uns dem yogischen Konzept von „Tapas“, einem der Niyamas, dem zweiten Glied des achtfachen Pfades, gewidmet. Ein Aspekt von Tapas (normalerweise als Selbstdisziplin übersetzt), der oft übersehen wird, ist Ausdauer. Ausdauer, eine flüchtige Eigenschaft in einer Welt, die von dem Bedürfnis nach sofortiger Befriedigung und sofortigen Ergebnissen getrieben zu sein scheint. Wer hat schon die Zeit, ein Taxi die Straße hinunter zu winken, wenn das nächste UBER nur wenige Minuten entfernt ist? Wer möchte nach einem anstrengenden Tag noch ein schönes Abendessen kochen, wenn es ein Lieferservice dafür gibt? Wer hat Zeit zu warten, bis ein Lieblingsfilm im Fernsehen erscheint, wenn er bei Netflix und Co. „on demand“ verfügbar ist? Wer möchte Zeit investieren, um sich in einem Café mit jemandem zu unterhalten, wenn das nächste Date nur einen „Swipe“ entfernt ist?

Natürlich bringen technologische Innovationen, die uns all dies ermöglicht haben, viele Vorteile. Gleichzeitig neigen viele von uns jedoch zu einem ständigen Gefühl der Dringlichkeit, Ungeduld und Unzufriedenheit. Wenn etwas nicht sofort so funktioniert, wie wir es möchten, springen wir gleich zum Nächsten. Das kann alles betreffen; von der Aufnahme eines neuen Hobbys (z. B. Yoga) bis zum Beginn eines Ausbildungskurses, eines Jobs oder einer Beziehung.

Warum müssen wir alles sofort haben? Wenn wir zur Natur schauen, sehen wir, dass alles seinen eigenen einzigartigen Zyklus von Wachstum, Leben und Verfall hat. Der Mondzyklus dauert genau 28 Tage, es dauert 10 (Mond-) Monate, bis sich ein Mensch in der Gebärmutter entwickelt, und jeder Samen hat seine eigene Zeit, in der er zu einer Pflanze heranwächst. Eine altes Sprichwort sagt, dass „Rom nicht an einem Tag gebaut wurde“. Genau das gleiche gilt für auch für alles andere, wenn es Tiefe, Dimension und Langlebigkeit haben soll. Jeder Prozess hat seinen eigenen Zeitplan, der sich oft unserer Kontrolle entzieht. Alles, was wir tun können, ist, in dem Prozess bewusst zu bleiben, daran teilhaben, und sich darum kümmern.

Was in der Natur wahr ist, gilt auch für unsere Yoga-Praxis und für unser Leben. Der Fortschritt auf der Yogamatte geht mit der Zeit einher, tiefe und authentische Beziehungen zwischen Menschen brauchen Zeit, um sich zu entwickeln und wachsen, ein Unternehmen braucht Zeit, um sich zu etablieren, und Wissen und Weisheit kommen auch mit der im Laufe der Zeit erworbenen Erfahrung. Wenn wir Zeit in etwas investieren, bedeutet dies, dass wir uns wirklich damit beschäftigen, dass wir dabei sind und dass wir dem was vor uns ist Aufmerksamkeit schenken. Dadurch erhalten wir ein tieferes Verständnis darüber, was vor uns liegt. Wir können Verbindungen zu anderen Dingen in unserem Leben bemerken, wir können Muster erkennen, wir entwickeln eine einzigartige Beziehung dazu und vor allem integrieren wir diese Erfahrungen in unser Sein. Ausdauer schafft dann Authentizität, Echtheit und eine solide Grundlage für alles, was wir aufbauen.

Wenn wir durchhalten, entwickeln wir auch Stärke und bauen Charakter auf. Mit schwierigen Situationen konfrontiert, die zu jedem Zeitpunkt in unserem Leben, in jeder Beziehung, in jedem Job oder in jedem Projekt auftreten können, scheint es oft einfacher zu sein, davon zu laufen. Wir möchten vielleicht umkehren, wenn wir mit einem Hindernis konfrontiert werden und denken, dass etwas anderes einfacher wäre. Wenn wir jedoch durch schwierige Situationen gehen, müssen wir möglicherweise um Hilfe bitten, unsere Ressourcen erweitern, die Art und Weise, in der wir über etwas denken überarbeiten oder unser eigenes Verhalten ändern. Auf jeden Fall wird uns das „Durchgehen“ von etwas verändern und uns wieder mit einem neuen und tieferen Verständnis und einer Erfahrung zurücklassen, die wir nicht hätten haben können, wenn wir nicht durchgehalten hätten.

Und ist das Gefühl, eine herausfordernde Situation überwunden zu haben, nicht die „wahre“ Befriedigung? Es entsteht ein besonderes Gefühl der Dankbarkeit, wenn man all die Dinge, die das Ergebnis von Ausdauer sind, in seinem Leben betrachtet. Dies ist selten vergleichbar mit der vorübergehenden Erregung einer sofortigen Befriedigung oder einem unmittelbaren Ergebnis.

Auch der Geburtstag von Bali Yoga Wien in diesem Monat ist ein weiteres Beispiel für Ausdauer. Diejenigen, die von Anfang an bei uns waren, werden es in seinen vielen verschiedenen Stadien gesehen haben. Du hast vielleicht das Kommen und Gehen von Lehrern, den Ausbaus unseres Stundenplanes, die Veränderungen im physischen Raum und den wunderbaren Wachstums unserer Gemeinschaft miterlebt. Bali Yoga Wien ist ein wahres „Herz-Projekt“ und natürlich, wie alles andere, mit seinen einzigartigen Herausforderungen und Hindernissen verbunden. Indem wir diese jedoch überwinden, sind sie Teil unserer Erfahrung und unserer Einzigartigkeit geworden. Yoga, Einheit, Gemeinschaft, Verbindung ist das, was wir schaffen möchten, und genau das hat es uns bisher ermöglicht, dies zu bewahren.

Auf viele weitere Geburtstage! Namaste!

von Carina Hilmar

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